Westfälische Rundschau, 12. Juni 2007  
     
  Tattoo als Argument auf Partnermarkt  
     
  Männer wollen ihre Tätowierungen zeigen – Frauen verstecken sie unter ihrer Kleidung  
     
 

Von Heidi Niemann

Göttingen. Was haben Stephanie von Monaco, der Boxer Mike Tyson, die Punkdiva Nina Hagen, die Schwimmerin Franziska van Almsick, der Fußballer David Beckham, der Sänger Robbie Williams und der Schauspieler Johnny Depp gemeinsam? All diese Promis tragen Tattoos auf ihrer Haut.

Die Zeiten, als Tätowierungen als typischer Körperschmuck von Strafgefangenen, Matrosen und Rockern galten, sind längst vorbei. Wer allerdings glaubt, mit Tattoos seine Attraktivität steigern zu können, könnte sich getäuscht haben: Verhaltensforscher der Universität Göttingen haben in einer Studie festgestellt, dass Tätowierungen in erster Linie als aggressiv und nicht unbedingt als anziehend empfunden werden.

Die Göttinger Wissenschaftler befragten über 220 Tätowierte. Die Befragung ergab, dass über die Hälfte der Tätowierten nur eine Verzierung besaß. 22 Prozent waren an zwei Stellen tätowiert, der Rekord lag bei 23 Tätowierungen. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Männer lassen sich meistens an Armen und Beinen tätowieren. Frauen haben dagegen auch häufig Tattoos an Rücken, Bauch und Po, also an Stellen, die meist durch Kleidung verdeckt sind.

Männer bevorzugen damit Körperteile, die sich mit Dominanz assoziieren lassen, während es Frauen eher um Attraktivität geht, schließen die Verhaltensforscher daraus. Dies zeigt sich auch an der Motivauswahl: Frauen lassen sich vor allem „niedliche" Motive wie Blumen oder Tiere tätowieren, Männer haben dagegen eher ein Faible für „gruselige" Motive wie Totenköpfe. Am beliebtesten sind allerdings abstrakte Formen.

Die meisten Befragten erhielten ihre erste Tätowierung im Alter zwischen 18 und 21 Jahren. Dies hat die Forscher nicht verwundert: Schließlich ist diese Altersgruppe nicht nur besonders anfällig für Modephänomene, sondern auch auf dem „Partnermarkt" besonders präsent. Und dort können Tattoos durchaus eine Rolle spielen, weil Tätowierungen auffallen und Aufmerksamkeit erregen. Dies bestätigte sich bei einem Experiment, bei dem die Augenbewegungen der Betrachter automatisch aufgezeichnet wurden. Der Test zeigte, dass Tätowierungen länger und intensiver betrachtet werden als Schmuckstücke oder Narben.

Es gibt aber auch andere Gründe, warum sich Menschen einer solchen schmerzhaften Behandlung zur Körperverzierung unterziehen: Manche Befragten betrachteten ihre Tätowierung als Kunstwerk, andere als Ausdruck von Rebellion. Während einige mit ihrer Tätowierung ihre Individualität ausdrücken wollen, geht es anderen darum, ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu demonstrieren. Einige wollen auch damit traumatische Erfahrungen verarbeiten, manche genießen sogar die Schmerzen beim Tätowieren.

Obwohl Tattoos inzwischen ausgesprochen populär sind, sind die Vorurteile offenbar noch tief verankert. Dies zeigte ein weiteres Experiment: Die Göttinger Forscher präsentierten über 100 Testpersonen Körper von Männern und Frauen mit und ohne Tätowierungen. Dabei zeigte sich, dass Tätowierte beiderlei Geschlechts durchweg deutlich negativer beurteilt und als „aggressiver" und „dominanter" empfunden wurden. Am kritischsten äußerten sich Frauen über tätowierte Geschlechtsgenossinnen, die sie auch als „weniger attraktiv" und „weniger gesund“ bewerteten. Tätowierte Männer empfanden sie dagegen als „maskuliner".

 
     
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