HAZ, 20. Februar 2008  
     
  "So, das war der Erste"  
     
  53-Jähriger legt Mordgeständnis ab  
     
 

VON HEIDI NIEMANN

Göttingen. "So, das war der Erste." Mit diesem knappen Satz beendet der Angeklagte Siegmund S. die Schilderung seiner ersten Tat, wegen der er sich seit Dienstag vor dem Landgericht Göttingen verantworten muss. Der Erste war nicht der Letzte: Insgesamt vier Männer, alles ältere gut situierte Herren, soll der 53-Jährige Hilfsarbeiter aus Bodenfelde (Kreis Northeim) in den Jahren 1994 bis 2000 ermordet haben. Die Opfer waren alle mit der früheren Prostituierten Lydia L. liiert, die ebenfalls auf der Anklagebank sitzt. Die 68-Jährige soll ihn zu den Taten angestiftet und den Männern heimlich Beruhigungsmittel ins Essen gemischt haben. Die Staatsanwaltschaft hat sie deshalb ebenfalls wegen vierfachen Mordes angeklagt.

Zum Prozessauftakt gab es einen großen Medien- und Zuschauerandrang. Viele wollten vor allem jene Frau sehen, die es offenbar verstanden hat, älteren Männern so den Kopf zu verdrehen, dass diese sie schon nach kurzer Zeit heirateten, als Erbin einsetzten oder anderweitig reich bedachten. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass sie es von vornherein auf deren Vermögen abgesehen hatte.

Schon optisch ist deutlich, dass die beiden Angeklagten im Leben mit sehr unterschiedlichen Gaben bedacht wurden. Lydia L. trat am ersten Verhandlungstag betont bieder auf: Rostbraunes Strickkostüm, schwarze Lackpumps, eine goldene Halskette mit Kreuz, die Lippen zartrosa geschminkt. Siegmund S. erschien in Jeans und T-Shirt. Obwohl 15 Jahre jünger, sieht er deutlich älter aus. Der 53-Jährige hat früher im Straßenbau und in Sägewerken gearbeitet, die Knochenarbeit hat ebenso Spuren hinterlassen wie zeitweilige Alkoholprobleme.

Lydia L. spricht ganz schnell, sagt aber nur, dass sie zunächst keine Angaben machen und erst abwarten will, was Siegmund S. so alles aussagen wird. Hätte dieser sich nicht im August vergangenen Jahres aus freien Stücken der Polizei offenbart, wäre die spektakuläre Mordserie vermutlich nie geklärt worden. Mehrere der getöteten Männer, die Lydia L. zumeist über Kontaktanzeigen kennengelernt hatte, waren nie als vermisst gemeldet worden.

Siegmund S. hatte die Frau, in deren Auftrag er die Morde begangen haben will, 1987 kennengelernt. Damals wohnten beide in einem Mehrfamilienhaus in der Nähe von Uslar. Sie arbeitete zu der Zeit als Prostituierte in einem Wohnmobil in Bad Karlshafen an der Weser. Dies habe er gewusst, aber es habe ihn nicht interessiert, sagte der Angeklagte. "Das geht mich nichts an", sagte er. Er habe nie etwas mit ihr gehabt und auch nie etwas von ihr gewollt.

Nachdem er einige Jahre im Sauerland gelebt hatte, zog Siegmund S. nach Bodenfelde. Dort hatte Lydia L., die einen Mercedes 300 SL Coupe fuhr, zwei Häuser erworben. Im Hinterhaus waren häufig Obdachlose untergebracht, er wohnte zur Miete im Vorderhaus 1994 brachte sie eine ihrer Männerbekanntschaften nach Bodenfelde, einen 74-Jährigen Rentner aus Meppen.

Lydia L. habe ihm erzählt, dass sie den älteren Männern immer Tabletten ins Essen mischte, damit diese nicht an ihr "herumgrapschten", sagte der Angeklagte. Der 74-Jährige habe sich jedoch gewundert, dass er sich immer so taumelig und schläfrig fühlte und deshalb zum Arzt gehen wollen. Da habe sie Angst bekommen, dass die Verabreichung der Medikamente auffliegen könnte, und sie habe ihm gesagt: "Er muss weg." Sie habe dann ein Wohnmobil gemietet. Er habe den schlafenden 74-Jährigen dort hineingehievt, dazu einen Kanister mit Rasenmäherbenzin und einen Teppich. Danach seien sie durch die Gegend gefahren.

Irgendwann sei der 74-Jährige wach geworden. Da habe sie ihn gefragt, wann er "das machen" wolle. Er sei daraufhin nach hinten gegangen, habe dem 74-Jährigen eine Tüte über den Kopf gezogen und ihn während der Fahrt erstickt. Anschließend legte er den Toten auf einem Parkplatz an der Autobahn 7 bei Lutterberg ab, bedeckte ihn mit dem Teppich, schüttete Benzin drüber und zündete es an. Die Identität der verbrannten Leiche wurde erst 13 Jahre später geklärt, nach dem Siegmund S. bei der Polizei ausgepackt hatte. Für den Prozess sind insgesamt 24 Verhandlungstage angesetzt.

 
     
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